Sonntagmittag, Nieselregen, ein kühler Wind streicht durch Friedrichshain, perfekte Bedingungen für ein weiteres Derby. Die Jungs aus Stralau zu Gast bei der Berolina, die so tut als hätte sie was mit unserer Insel zu tun.
Nicht nur das Wetter passte zum Anlass, wie so oft konnten sich die Victorianer auf ihren lautstark unterstützenden Anhang verlassen, der schon vor dem Anpfiff klar machte, wer „hier regiert“. Sollte jemand im Kiez aus unverständlichen Gründen dieses Derby nicht eh schon seit Monaten im Kalender notiert haben, so half der von Stralau zum Laskersportplatz durchgeführte Fanmarsch, auch dem letzten Friedrichshainer laut und deutlich zu vermitteln, was an diesem Sonntag wichtig war.
Personell etwas durch die Ferien- und Festivalsaison ausgedünnt, startete die Victoria in einem ungewohnten 4-4-2 mit Raute. Leider war dieses Viereck das einzig kantige in den ersten 30 Minuten. Berolina hingegen setzte auf ihren starken Kampfgeist, ackerte sich in jeden Zweikampf und konnte so die ersten Halbchancen zu ihren Gunsten verbuchen. Eine Druckphase der Gastgeber gegen erstaunlich körperlose Gäste nutzte der Ex-Victrianer (Name ist der Redaktion bekannt) nach einer Ecke zur zu diesem Zeitpunkt nicht unverdienten Führung (28.).
Dass Trainer Bresche unzufrieden war merkte man nicht nur durch den plötzlich über den Platz zirkulierenden Zettel mit neuen Anweisungen, auch personelle Wechsel sollten noch vor der Pause den Umschwung einläuten. Und so ergaben sich in der Folge auch etwas mehr Kombinationen und Umschaltmomente, die das Spiel bis zur Halbzeit ausgeglichen wirken liesen.
© Fotos Alina Menzel
Die zweite Hälfte begann dann so, wie die erste Halbzeit aufgehört hatte: Endlich begegneten sich beide Mannschaften auch mit der Intensität, die sowohl ein Derby als auch die zahlreichen mitgereisten Victorianer verdienten. Da Victoria nun auch an Zweikämpfen Interesse zeigte, konnten endlich mehr Balleroberungen und daraus resultierende Verstöße verzeichnet werden. Es brauchte zum Ausgleich dann allerdings einen berechtigten Elfmeter. Lebershausen war ungeschickt zu Fall gebracht worden, Stuck, dem vorher zwei Chancen daneben gingen, gab sich keine Blöße und glich aus (59.).
Statt groß zu jubeln wurde sich aber direkt der Ball geschnappt und zum Anstoßpunkt befördert. Denn: Victoria wollte und brauchte mehr, wollte man sich nicht ausgerechnet gegen den Lokalrivalen aus dem Aufstiegrennen verabschieden.
Unter dem großartigen Support von der Seitenlinie wurden die Angriffe giftiger. Während Berolina einzelne gefährliche Nadelstiche setzen konnte, die Marschall aber allesamt entschärfte, spielte sich Victoria immer mehr in der gegnerischen Hälfte fest. Während einige Kombinationen zwar schön anzusehen waren, aber doch erfolglos blieben, sollte Friedrichshain in der 80. Minute doch noch derart erschüttert werden, das Seismologen auf dem Potsdamer Telegrafenberg vor Schreck ihren Kaffee verschüttet haben müssen.
Eine ansehnliche Ballstaffete brachte den Ball nach rechtsaußen, von wo der zentral stehende Lebershausen den Ball erhielt und perfekt für Hahnfeld auflegte. Das 2:1 war eine der leichteren Übungen für Victorias Torjäger.
Nachdem der Jubel abebbte, sah sich Victoria wütenden Gegenangriff ausgesetzt, die aber auch Raum für Konter lassen sollten. Die mögliche Chance mit dem 3:1 alles klar zu machen, wurde aber mehrfach vergeben.
Als nach 94 qualitativ fragwürdigen aber unfassbar intensiven Minuten endlich Schluss war, sorgten Mannschaft und Anhang mit ihrem gemeinsamen Jubel für die nächste Erschütterung der sonntäglichen Friedrichshainer Ruhe. So ein Derbysieg schmeckt allen gut.
Einziger Wermutstropfen: Rohloff musste kurz vor Ende der Partie mit Verdacht auf „scheisse schon wieder das Innenband“ ausgewechselt werden. Wir wünschen gute Besserung!
von P. L.